Archiv für März 2012

30
Mär
12

24 Stunden im Alltag einer Insel

(in der Nähe von Felanitx, um 00:40:23)

Heute vor achtundzwanzig Jahren organisierte ich zusammen mit einem gewissen Red Saunders einen Foto-Event in Los Angeles, Kalifornien. Gemeinsam produzierten wir ein Buch, das dieses Ereignis festhielt: 24 Hours in the Life of Los Angeles. Damals hatten wir ein Team von 145 Leuten zusammengerufen, darunter 103 Fotografen aus aller Welt sowie 16 Schulkinder aus L. A., um den Alltag in dieser Weltmetropole kurz vor dem Beginn der Olympischen Spiele von 1984 zu dokumentieren.

Heute habe ich ein ähnliches Abenteuer vor. Ich will Mallorca 24 Stunden lang kreuz und quer bereisen, um ein wohl etwas anderes, aber dennoch spannendes Portrait der Insel zu fotografieren, wenn auch dessen Ergebnisse schließlich nicht in einem prächtigen Bildband verlegt werden sollen. Mallorca ist seit 25 Jahren mein Zuhause. Diesmal gibt es aber kein Team und andere Fotografen sind auch nicht beteiligt. Alle paar Stunden werde ich dann Fotos hochladen, je nachdem, wie örtliche Breitband-Verbindungen und WiFi-Anschlüsse vorhanden sind. Dadurch wird der heutige Blog-Beitrag im Laufe des Tages immer größer und länger werden. Das erste Foto wurde heute Morgen um 00h40 auf dem Puig de Sant Salvador bei Felanitx gemacht, und die letzte Aufnahme wird dann kurz vor Mitternacht in Plaça d’Espanya in Felanitx gemacht werden. Mal sehen, wie das alles ablaufen wird. Ich bin gespannt, ob ich die Tour de Force durchhalten werde.

(Portocolom, um 01:28:42)

(Porto Cristo, um 02:03:46)

(Son Servera, um 02:52:00)

(in der Nähe von Canyamel, um 03:10:01)

(Cala Rajada, um 03:32:23)

(Cala Rajada, um 03:43:12)

(Felanitx, um 04:39:18)

Um Mitternacht ging es los. Gegen 05h30 ging es dann zurück nach Felanitx, um die ersten Fotos meiner Aktion hochzuladen. Dieser Zwischenstop war eingeplant gewesen, nicht aber, was dann passierte. Ich schlief unplangemäß ein und schlummerte etwa 45 Minuten lang. Aber ich war immer noch im ungefähren Zeitplan, und kurz nach 07h00 ging es wieder weiter.

(in der Nähe von Petra, um 07:41:13)

(in der Nähe von Petra, um 08:00:33)

(Santa Margalida, um 09:24:54)

(Muro, um 10:44:09)

(in der Nähe von Muro, um 11:35:52)

In der Platja de Muro war ich noch gut im Zeitplan, mehr oder weniger. Aber mir dämmerte langsam, dass ich mir ein Ziel gesetzt hatte, das vielleicht doch schwieriger war, als ich das vorhergesehen hatte. Ich hatte vielleicht die Herausforderung insgesamt unterschätzt und vor allem, ich hatte wohl die schiere Entfernung zwischen den Orten zu optimistisch eingeschätzt, ebenso wie ich wahrscheinlich auch meine Fähigkeiten als Ein-Mann-Band überschätzt hatte. Mir war jetzt schon klar, dass Mallorca in der Tat ein ganzer Kontinent war, klein, aber dennoch enorm groß.

(in der Nähe von Muro, um 12:11:55)

(Port de Pollença, um 13:59:13)

(Pollença, um 14:18:33)

In Pollença wurde es ziemlich klar, dass ich anfing, hinter meinem Zeitplan herzulaufen. Ich beschloss, meine Routenplanung zu ändern. Anstatt von hier aus Richtung Süden über Crestatx, Sineu und Sant Joan weiterzufahren, entschied ich mich, in die Berge der Serra de Tramuntana zu fahren, um zu sehen, ob ich etwa Zeit wettmachen könnte, indem ich einige der geplanten Stationen schlicht wegfallen ließ.

(in der Nähe von Pollença, um 14:58:40)

(in der Nähe von Sa Calobra, um 15:23:18)

(in der Nähe von Sa Calobra, um 15:25:40)

(in der Nähe von Sa Calobra, um 15:32:31)

(in der Nähe von Sa Calobra, um 15:33:02)

(in der Nähe von Fornalutx, um 15:37:35)

(in der Nähe von Fornalutx, um 15:43:27)

Am Gorg Blau Wasserreservoir war es nun klar: es war schlichtweg ausgeschlossen, dass mir gelingen würde, die ganze Insel an einem einzigen Tag zu portraitieren. Zum einen gab es kaum Möglichkeiten, die Fotos meines Parcours von unterwegs hochladen. Dann waren die Entfernungen von Ort zu Ort einfach zu weit. Mallorca ist schlichtweg zu groß, um von einer einzigen Person an nur einem Tag durchkreuzt zu werden. Ich hätte mir vielleicht einen Fahrer gönnen sollen, damit ich mich auf die Auswahl der Fotoszenen und deren jeweiligen Standort konzentrieren konnte. Und es wäre auch klug gewesen, einen Assistenten mitzunehmen, damit ich den Rücken frei hätte von logistischen Erwägungen. Stattdessen mußte ich mich um wirklich alles selbst kümmern, wie das Fahren, die Routenplanung, den Zeitplan, die Motivauswahl, den Aufbau des Stativs, das Fotografieren, texten, formattieren, Bildauswahl, usw. Ich merkte plötzlich, daß ich keine 39 mehr war. Und ich war permanent müde, schläfrig, die Augen gerötet, erschöpft und besorgt.

(in der Nähe von Sóller, um 15:51:15)

(Sóller, um 16:45:14)

(Sóller, um 17:03:36)

(Sóller, um 17:11:26)

In Sóller nahm ich die Niederlage schließlich hin. Es war einfach unmöglich, ganz Mallorca oder all die 48 Orte, die ich eingeplant hatte, an einem Tag und ganz alleine zu schaffen. Ich würde kaum die Hälfte meines Plansolls schaffen und kaum mehr als die Hälfte der gesamten Strecke. Inzwischen hatte ich etwa 300 km geschafft, und ich würde sicherlich noch einmal das Gleiche oder sogar mehr brauchen, obwohl jetzt schon zwei Drittel der Zeit vergangen waren. Realistischerweise müßte ich fitter sein (also jünger), besser ausgerüstet und bräuchte etwas mehr Fremdhilfe. Ich hätte doch auf meine Frau hören sollen. Die ganze Idee war einfach bekloppt.

(Alfàbia, um 17:46:32)

(Alfàbia, um 17:54:46)

In Alfàbia beschloss ich, nach Hause zu fahren. Ich musste unbedingt einige meiner Fotos hochladen und ich musste nun auch eine Art Zwischenbilanz ziehen. Anschließend könnte ich wieder losfahren, um das mallorquinische Hinterland, also Porreres, Campos, Llucmajor, Sant Joan, Villafranca, Sineu, Llubi, und so weiter, abzudecken. Ich wäre aber ganz sicher nicht mehr in der Lage, den westlichen Teil der Insel, also Andratx, Estellencs, Banyalbufar, Valldemossa, Deià, Orient, Alaró und Bunyola abzudecken. Vielleicht müsste ich später noch einmal versuchen, den Rest der Region abzuhaken. Es war mir aber jetzt schon klar, dass ich Palma erst einmal überspringen musste.

(Felanitx, um 23:43:43)

Nach 20 Stunden auf der Straße und in der unerwartet heißen Sonne war ich wieder zu Hause angekommen und jetzt damit beschäftigt, die Bilder zu sichten, auszuwählen unc hochzuladen. Ich hatte keine Energie mehr, noch einmal loszufahren, um Porreres und Sant Joan zu fotografieren. Ich würde eigentlich auch die letzte Aufnahme kurz vor Mitternacht nicht mehr brauchen, die ich von Anfang an eingeplant hatte. Aber vielleicht wäre dieses Foto die Hälfte der zwei Buchstützen, die das ganze zusammenhalten könnten. Wie sich herausstellte, traf ich meinen Freund John, der sich freundlicherweise bereit erklärte, als Model für mich zu posieren. Nein, das bin nicht ich, der da sitzt.

Ich danke Ihnen dafür, dass Sie mich auf dieser Fahrt und an diesem sehr langen Tag begleitet haben. Ich muss mich jetzt etwas hinlegen.

Gute Nacht




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